ABS/DSC

Das ABS/DSC-Steuergerät beinhaltet die Funktionsumfänge ABS und DSC. ABS steht für Anti Blockier System, DSC für Dynamische Stabilitäts Control.

Das Anti Blockier System verhindert das Blockieren der Räder und erhöht dadurch die Fahrstabilität und Lenkfähigkeit des Fahrzeuges selbst bei Vollbremsungen.

Die Dynamische Stabilitäts Control ist eine konsequente Weiterentwicklung der Automatischen Stabilitäts Control+Traktion. Die Automatische Stabilitäts Control+Traktion (ASC+T) verhindert das Durchdrehen der Antriebsräder beim Beschleunigen und erhöht dadurch die Fahrstabilität und Traktion des Fahrzeuges.

Bei den Schlupfregelsystemen ABS und ASC+T wird immer der Längsschlupf, also Raddrehzahlunterschiede zwischen Vorder- und Hinterachse, als Regelgröße verwendet. Bei der Dynamischen Stabilitäts Control wird zusätzlich der Querschlupf, also Raddrehzahlunterschiede zwischen den beiden Rädern an der Vorderachse, zur Antriebskraftregelung herangezogen. Dadurch kann die Motorleistung soweit reduziert werden, daß ein Unter- bzw. Übersteuern des Fahrzeuges bei schneller Kurvenfahrt nicht mehr eintreten kann.

Berechnungsgrundlage zur Ermittlung des Querschlupfes sind die Signale der beiden vorderen Drehzahlfühler und des Lenkwinkelsensors.

 

Die vorliegende Funktionsbeschreibung ist in folgende Kapitel unterteilt:

ABS/DSC-Steuergerät

Aufbau

Das Steuergerät besteht im wesentlichen aus folgenden Bauteilen:

Hinweis

Das ABS/DSC-Steuergerät ist ab Zündschloßstellung 2 betriebsbereit. Die Spannungsversorgung erfolgt über das DME-Hauptrelais. Nach dem Ausschalten der Zündung bleibt die Spannungsversorgung ca. 5 ... 20 Sekunden erhalten (DME-Halteschaltung).

Sicherheitskonzept

Das wesentliche Sicherheitsmerkmal im ABS/DSC-Steuergerät ist die parallele Signalaufbereitung und -verarbeitung in beiden Mikrocontrollern.

Da beide Mikrocontroller das gleiche Programm abarbeiten, müssen bei identischen Eingangsgrößen auch die Ausgangsgrößen identisch sein. Ist dies nicht der Fall, wird auf Fehler erkannt und das gesamte ABS/DSC-System wird abgeschaltet. Diese interne Fehlerüberwachung findet andauernd statt.

Darüberhinaus werden bei jedem Fahrtantritt bei Überschreiten der Fahrgeschwindigkeit von 6 km/h die Magnetventile und die Rückförderpumpe kurz angesteuert und die Rückmeldung der Endstufen abgefragt. Tritt ein Fehler auf, wird ebenfalls das gesamte System abgeschaltet.

Die Überwachung der Drehzahlfühler und der Drehzahlfühlerleitungen wird durch unterschiedliche Methoden, wie z.B. Spannungspegelüberwachung der Drehzahlfühlerleitungen, Vergleich der Radgeschwindigkeiten mit einer Referenzgeschwindigkeit, statische Schlupfüberwachung usw. sowohl im Stillstand als auch während der Fahrt sichergestellt.

Die Magnetventilleitungen werden abhängig vom Ansteuerzustand auf Unterbrechung und Kurzschluß nach Plus bzw. Masse überwacht.

Der Einschaltzustand und der Nachlauf des Rückförderpumpenmotors wird ebenfalls elektrisch überwacht. Liegt eine bestimmte Zeit nach dem Ansteuern am Pumpenmotor keine Spannung an bzw. liegt sie nach Beenden der Ansteuerung innerhalb einer bestimmten Zeitdauer nicht unter einem vorgegebenen Minimalwert, wird auf Fehler erkannt und das gesamte System wird abgeschaltet.

Hinweis

Nach einer Sicherheitsabschaltung stehen die normale Betriebsbremsanlage sowie die Motorsteuerung uneingeschränkt zur Verfügung.

Drehzahlsignale

Eingangssignale

Die Raddrehzahlsignale werden von vier "aktiven" Drehzahlfühlern bereitgestellt.

Die aktiven Drehzahlfühler arbeiten nach dem Hallprinzip, wo durch magnetische Feldstärkeänderungen Wechselspannungen erzeugt werden, deren Frequenz ein Maß für die Raddrehzahl ist. Im Gegensatz zu den passiven Drehzahlfühlern ist bei den aktiven Drehzahlfühlern das eigentliche Sensorelement und die Elektronik zur Signalaufbereitung im Drehzahlfühler integriert.

Vorteile der aktiven Sensoren:

Die Drehzahlsignale sind Rechtecksignale mit konstanter Amplitude (Low-Pegel = 0,75 V, High-Pegel = 2,5 V), für den Geschwindigkeitsbereich von 0 ... 250 km/h ergeben sich abhängig vom Reifenumfang Frequenzen im Bereich von 0 ... ca. 1700 Hz.

Die Spannungsversorgung der aktiven Sensoren (7,6 ... 8,4 V Gleichspannung) erfolgt durch das ABS/DSC-Steuergerät.

Ausgangssignale

Die Raddrehzahlen werden auch von anderen Steuergeräten, wie z.B. der Integrierten Kombi Elektronik (IKE) oder der Elektronischen Dämpfer Control (EDC), benötigt. Hierzu werden die Drehzahlsignale im ABS/DSC-Steuergerät entsprechend aufbereitet.

Die Drehzahlausgangssignale sind Rechtecksignale mit konstanter Amplitude (Low-Pegel < 1 V, High-Pegel > 11 V), die Frequenz ist abhängig von den Raddrehzahlen und liegt im Bereich zwischen 0 ... 1700 Hz (0 ... 250 km/h).

Lenkwinkelsignal

Zur Berechnung der Querdynamik benötigt das ABS/DSC-Steuergerät neben anderen Meßgrößen auch den Lenkwinkel.

Der Lenkwinkel wird über einen separaten Lenkwinkelsensor erfaßt. DieserLenkwinkelsensor ist als 360-Grad-Potentiometer ausgeführt. Der Meßbereich beträgt 2 x 180 Grad.

Um störungsfreie Meßergebnisse zu garantieren, ist der Lenkwinkelsensor doppelt ausgeführt. Die beiden Schleiferkontakte sind um 90 Grad zueinander versetzt.

Der Lenkwinkelsensor kann z.B. so eingebaut sein, daß bei Geradeausstellung der Räder am Schleifer eine sehr kleine Spannung ansteht.

Wird das Lenkrad nun nach rechts oder links eingeschlagen, steigt die vom Schleifer abgegriffene Spannung linear an, bis sie bei 180 Grad Verdrehwinkel den Maximalwert von ca. 5 Volt erreicht. Bei weiterem Verdrehen des Lenkrades in die gleiche Richtung nimmt die Spannung am Schleifer linear ab, bis der Minimalwert von ca. 0,5 Volt erreicht ist.

Die so vom Potentiometer gebildete Dreieck-Spannung wird vom Steuergerät ausgewertet und in Lenkwinkel umgesetzt.

Die Plus- und Minusversorgung der beiden Potentiometer erfolgt über das ABS/DSC-Steuergerät. Die Versorgungsspannung beträgt 5 Volt.

Hinweis

Bei einem Austausch des Lenkwinkelsensors ist eine Positionierung des Sensors zum Lenkrad nicht erforderlich. Nach dem Einbau muß jedoch ein Lenkwinkelabgleich mit dem Diagnose- und Informationssystem durchgeführt werden (Kapitel "Servicefunktionen", Unterkapitel "Lenkwinkelabgleich").

Hydraulikeinheit

Die Hydraulikeinheit besteht aus den Magnetventilen, einer Speicherkammer je Bremskreis und einer zweikreisigen Rückförderpumpe.

Die Magnetventile werden vom ABS/DSC-Steuergerät geschaltet. Sie verbinden die Radbremszylinder je nach Schaltzustand mit dem entsprechenden Kreis des Hauptbremszylinders oder der Rückförderpumpe oder schließen den Radbremszylinder gegen beide.

Für jeden der vier Regelkreise sind zwei Magnetventile erforderlich, ein Einlaß- und ein Auslaßventil. Für die DSC-Regelung ist ein zusätzliches Ansaugventil und ein Umschaltventil notwendig. Das Ansaugventil ermöglicht den Druckaufbau über das selbstansaugende Pumpenelement in der Rückförderpumpe. Das Umschaltventil verhindert während der Regelzyklen den Rückfluß der Bremsflüssigkeit in den Vorratsbehälter.

Die Plusversorgung für die Magnetventile läuft über das Ventilrelais. Die Ansteuerung dieses Relais erfolgt ab Zündschloßstellung 2 durch das ABS/DSC-Steuergerät.

Die Rückförderpumpe fördert die beim Druckmindern aus den Radbremszylindern abströmende Bremsflüssigkeit über den zugeordneten Speicher in den betreffenden Kreis des Hauptbremszylinders zurück. Die Plusversorgung für die Rückförderpumpe läuft über das Motorrelais. Die Ansteuerung dieses Relais erfolgt ab Zündschloßstellung 2 durch das ABS/DSC-Steuergerät.

Die Speicher in der Hydraulikeinheit dienen dazu, die beim Druckmindern plötzlich anfallende Bremsflüssigkeit vorübergehend aufzunehmen.

Kontrolleuchten

ABS/DSC-Systemfehler bzw. Systemzustände werden in der Instrumentenkombination mit Hilfe der ABS-Sicherheitslampe und der Multifunktionslampe angezeigt.

Die ABS-Sicherheitslampe und die Multifunktionslampe leuchtet ab Zündschloßstellung 2. Ist das Gesamtsystem fehlerfrei, erlöschen beide Lampen nach ca. 2 Sekunden (Lampencheck).

Erkennt die Sicherheitsschaltung im Teilsystem ABS einen Fehler, wird das Gesamtsystem, also die Teilsysteme ABS und DSC, abgeschaltet (ABS-Sicherheitslampe und Multifunktionslampe leuchtet). Tritt der Fehler beim nächsten Neustart nicht mehr auf, erlöschen beide Lampen nach dem Lampencheck.

Erkennt die Sicherheitsschaltung im Teilsystem DSC einen Fehler, wird abhängig von der Fehlerart entweder das Gesamtsystem oder nur das Teilsysteme DSC abgeschaltet (ABS-Sicherheitslampe und/oder Multifunktionslampe leuchtet).

Wird das Teilsystem DSC mit dem DSC-Passivtaster abgeschaltet, leuchtet die Multifunktionslampe dauernd.

Wenn die Multifunktionslampe während der Fahrt blinkt (Frequenz ca. 3 Hz), wird der Fahrer auf einen DSC-Regelung aufmerksam gemacht.

Hinweis

Während der Diagnose (Kommunikation mit dem Diagnose- und Informationssystem) leuchtet die ABS-Sicherheitslampe und die Multifunktionslampe.

Schalter und Taster

Bremslichtschalter

Eine Betätigung des Bremspedals wird dem ABS/DSC-Steuergerät über den Bremslichtschalter mitgeteilt. Dies hat einen sofortigen Abbruch eines eventuellen Bremseingriffes während einer DSC-Regelung und somit eine Verbesserung des Regelkomforts zur Folge.

Fehler im Bremslichtschalterkreis werden im Fehlerspeicher abgelegt, die ABS-Sicherheitslampe wird jedoch nicht angesteuert.

Handbremsschalter

Eine angezogene Handbremse wird dem ABS/DSC-Steuergerät über den Handbremsschalter mitgeteilt. Dies hat ein Anheben der Schlupfschwelle für die Motor-Schleppmoment-Regelung (MSR) und somit eine Verbesserung des Regelkomforts zur Folge.

DSC-Passivtaster

Der Funktionsumfang DSC kann mit dem DSC-Passivtaster abgeschaltet werden. Dies wird durch eine leuchtende Multifunktionslampe im Kombiinstrument angezeigt. Die ABS-Regelung ist weiterhin funktionsfähig.

Durch erneuten Tastendruck ist die DSC wieder aktivierbar, solange die Differenz zwischen maximaler Hinterradgeschwindigkeit und minimaler Vorderradgeschwindigkeit kleiner 20 km/h ist.

Regelkonzepte

ABS-Regelung

Bei einer ABS-Regelung werden die Vorderräder einzeln geregelt, die Hinterräder gemeinsam. Ein ABS-Regelzyklus besteht aus den drei Phasen Druckhalten, Druckabbau und Druckaufbau.

Meldet ein Drehzahlfühler eine starke Radverzögerung, besteht also eine Tendenz zum Blockieren, wird der Bremsdruck dieses Rades vorerst nicht erhöht, der Druck wird also auf dem vorher erreichten Niveau gehalten.

Steigt die Radverzögerung dennoch weiter an, wird der Bremsdruck abgebaut und das Rad dadurch weniger stark abgebremst.

Die Drehbewegung des Rades wird durch den weniger starken Bremsdruck wieder schneller. Beim Erreichen eines bestimmten Drehzahlgrenzwertes wird der Druck wieder erhöht. Durch diesen Druckaufbau wird die Drehbewegung des Rades wieder verzögert.

Je nach Fahrbahnbeschaffenheit laufen ca. 5 bis 12 Regelzyklen pro Sekunde ab, die Rückförderpumpe wird während der Regelung permanent angesteuert.

Die Einlaßventile sind im Ruhezustand stromlos offen, die Auslaßventile sind im Ruhezustand stromlos geschlossen:

Druckphase

Magnetventil / Zustand

Druckhalten

Einlaßventil / geschlossen (bestromt)

 

Auslaßventil / geschlossen (stromlos)

Druckabbau

Einlaßventil / geschlossen (bestromt)

 

Auslaßventil / geöffnet (bestromt)

Druckaufbau

Einlaßventil / geöffnet (stromlos)

 

Auslaßventil / geschlossen (stromlos)

 

 

DSC-Regelung

Bei durchdrehenden Antriebsrädern bzw. bei einer Unter- bzw. Übersteuerneigung des Fahrzeuges leitet das ABS/DSC-Steuergerät eine Reduzierung des Antriebsmomentes ein.

Dies wird durch folgende Eingriffe erreicht:

Die Eingriffe in das Motormanagement erfolgen über die Elektronische Motorleistungsregelung (EML) und die Digitale Motorelektronik (DME).

Der Bremseingriff auf die Antriebsräder erfolgt analog zur ABS-Regelung über die drei Ansteuerphasen Druckaufbau, Druckhalten und Druckabbau. Der Druck für den Bremseingriff während einer DSC-Regelung wird über das Ansaugventil und dem selbstansaugenden Pumpenelement direkt in die entsprechende Radbremse eingeleitet. Das Umschaltventil verhindert während der Regelzyklen den Rückfluß der Bremsflüssigkeit in den Vorratsbehälter.

Der Systemdruck wird über ein Druckbegrenzungsventil auf ca. 90 bar begrenzt. Das Druckbegrenzungsventil ist im Umschaltventil integriert.

Schnittstellen

Das ABS/DSC-Steuergerät besitzt Schnittstellen zur Elektronischen Motorleistungsregelung (EML), zur Digitalen Motorelektronik (DME) und zur Adaptiven Getriebesteuerung (AGS).

Die Elektronische Motorleistungsregelung und die Digitale Motorelektronik führen die Reduzierung des Antriebsmomentes durch, die Adaptive Getriebesteuerung benötigt Informationen vom ABS/DSC-Steuergerät zur Erkennung diverser Fahr- und Umgebungsbedingungen.

Der Datenaustausch zwischen diesen Steuergeräten erfolgt nicht wie früher über eine Vielzahl von Einzelleitungen, sondern über ein serielles Bussystem, dem sogenannten CAN-Bus (Controller Area Network). Dieser besteht aus zwei Datenleitungen (CAN_L und CAN_H) und einer Abschirmung (CAN_S) zum Schutz vor externen Störsignalen.

In diesem Bussystem sind alle Teilnehmer gleichberechtigt, d.h. jedes Steuergerät kann sowohl senden als auch empfangen. Bei Ausfall eines Teilnehmers steht der Bus für die restlichen Teilnehmer weiterhin zur Verfügung.

Hinweis

Alle am Bussystem angeschlossenen Steuergeräte müssen den gleichen Busindex vorweisen. Dieser wird im Diagnoseprogramm auf der ersten Seite der Steuergeräte-Identifikation angezeigt.

Elektronische Motorleistungsregelung (EML)

Die Elektronische Motorleistungregelung reduziert oder erhöht auf Anforderung durch das ABS/DSC-Steuergerät das Drehmoment an der Antriebsachse, indem die Drosselklappenstellung entsprechend der Anforderung verstellt wird. Dieser Eingriff ist die erste, jedoch verhältnismäßig langsame Maßnahme zur Reduzierung des Antriebsmomentes bei einer DSC-Regelung.

Die Elektronische Motorleistungsregelung ersetzt die mechanische Verbindung zwischen Fahrpedal und Drosselklappe. Die Fahrpedalstellung wird über einen Pedalweggeber in ein elektrisches Signal umgewandelt und im EML-Steuergerät in eine Steuerspannung für einen elektrischen Stellmotor umgesetzt, der wiederum die Drosselklappe betätigt.

Digitale Motorelektronik (DME)

Die Digitale Motorelektronik verändert auf Anforderung durch das ABS/DSC-Steuergerät den Zündwinkel bzw. blendet Zünd- und Einspritzimpulse aus:

Eingriff

Auswirkung

Zündwinkelverstellung nach "Spät"

Schnelle Reduzierung des Antriebsmomentes

Zünd-/Einspritzausblendung

Schnelle Reduzierung des Antriebsmomentes

Adaptive Getriebesteuerung (AGS)

Die Adaptive Getriebesteuerung erhält permanent die vier Raddrehzahlsignale sowie die Meldung "DSC Passiv" bzw "DSC Aktiv".

Über die Raddrehzahlsignale erkennt das AGS-Steuergerät auf Kurvenfahrt und Winter-Fahrbetrieb.

Die Meldung "DSC Passiv" verhindert ein Aufrufen des Winter-Fahrprogrammes.